Sprach- und Sprechstörungen bei Erwachsenen
Sprach- und Sprechstörungen bei Erwachsenen gehen meist von einer Schädigung der an
der Sprache beziehungsweise am Sprechen
beteiligten Nerven aus. Mögliche Ursachen für
diese Nervenschädigungen sind beispielsweise:
•
Schlaganfall
•
Herzstillstand
•
Tumor
•
Schädel-Hirn-Trauma
•
neurologische Erkrankungen wie zum
Beispiel Morbus Parkinson, Morbus
Alzheimer, Multiple Sklerose, Amyotrophe
Lateralsklerose (ALS)
•
Entzündungen im Gehirn z. B.
Enzephalitis, Meningitis
Durch die Schädigung der Nerven im Gehirn
können zusätzlich zu den Sprach- und Sprech-
störungen noch weitere Begleiterscheinungen
auftreten, insbesondere Sensibilitätsstörungen, Halbseitenlähmung, Sehstörung, Kau- und
Schluckstörung (Dysphagie), Aufmerksamkeits- und
Gedächtnisstörung, Depressionen. Diese haben Einfluss
auf die logopädische Therapie und werden bei der
Therapieplanung von mir berücksichtigt.
Weitere Ursachen für Sprach- bzw. Sprechstörungen sind
Schädigungen der am Sprechen beteiligten Organe z. B.
Verlust eines Teils der Zunge durch einen Unfall, Tumor
im Mundraum, …
Sprechstörungen:
•
Dysarthrophonie (Dysarthrie)
•
Sprechapraxie
Sprachstörung bei Erwachsenen
Aphasie
Unter Aphasie versteht man eine Sprachstörung nach Abschluss der Sprachentwicklung
aufgrund einer Schädigung von Hirnnerven, die sich
auf die vier Sprachbereiche auswirkt:
•
Sprechen
•
Verstehen
•
Schreiben
•
Lesen
Die Ausprägung der Beeinträchtigung in den einzel-
nen Bereichen kann sehr unterschiedlich sein. So ist
es beispielsweise möglich, dass ein Patient, der sich
kaum äußern kann, noch gut versteht. Ein anderer
Patient, der sehr viel spricht, kann eventuell
einfache Anweisungen nicht begreifen. Durch diese
verschiedenen Formen der Ausprägung leiden die
Patienten unterschiedlich stark an ihrer
Sprachstörung. Diejenigen, die sich bei gutem Sprachverständnis kaum noch mitteilen
können, sind häufig äußerst frustriert, traurig und reagieren mit Rückzug oder
Aggression. Andere Patienten nehmen unter Umständen gar nicht wahr, dass sie etwas
Anderes sagen als sie meinen, weshalb es in der Kommunikation häufig zu scheinbar
unerklärlichen Missverständnissen kommt. Beides kann die Beziehung zu den
Angehörigen und den alltäglichen Umgang miteinander stark belasten und verändern.
Daher ist mir die Angehörigenberatung wichtig, um die Kommunikation zwischen
Betroffenen und Angehörigen möglichst positiv zu gestalten.
Störungen der gesprochenen Sprache
Das aktive Sprechen von Aphasikern kann in unterschiedlichen Bereichen unterschied-
lich stark betroffen sein:
•
Störungen der Artikulation: Auslassungen, Ersetzungen oder Umstellungen eines
oder mehrerer Laute im Wort, bis hin zur völligen Entstellung
•
Wortschatz: bestimmte Wörter können nicht mehr genannt werden, sie werden
durch ähnlich klingende Wörter oder Wörter mit ähnlicher Bedeutung ersetzt oder
ganz weggelassen. Eventuell wird das Wort
umschrieben. Die Bedeutung von Wörtern wird
möglicherweise nicht mehr erkannt.
•
Störungen im Satzbau: der Patient kann nur
einzelne Wörter sprechen, Funktionswörter wie
z. B. „in“, „auf“, „bei“ werden ausgelassen, das
Sprechen ist für den Patienten sehr anstrengend.
oder aber der Patient spricht fast
ununterbrochen, dabei koppelt er Sätze,
vertauscht Wörter oder bricht einen Satz nach
dem anderen ab, um gleich wieder einen neuen
Satz zu bilden.
Im schwersten Fall können bei "Sprechversuchen"
lediglich immer wiederkehrende Silben, Wörter oder
Floskeln geäußert werden, ohne dass der Betroffene dies kontrollieren kann.
Störungen im Sprachverständnis
Das Verstehen von Sprache kann ganz unterschiedlich beeinträchtigt sein. In schweren
Fällen ist bereits das Verstehen einzelner Wörter eingeschränkt, in anderen Fällen treten
bei Sätzen oder längeren zusammenhängenden Äußerungen bzw. Texten Verständnis-
probleme auf.
Störungen des Lesens (Dyslexie)
Beim Lesen können einzelne Buchstaben nicht mehr sicher in die entsprechenden Laute
"übersetzt" werden. Beispielsweise liest der Patient statt „wo“ plötzlich „fa“, da er den
Laut w als f und den Laut o als a identifiziert. Teilweise gelingt auch das Zusammen-
ziehen der Laute zu einem Wort nicht mehr oder der Patient liest das Wort zwar korrekt,
versteht jedoch die Bedeutung des Wortes nicht. Möglicherweise gelingt das Erfassen
des Satzzusammenhanges nicht mehr, obwohl alles korrekt vorgelesen wurde.
Störungen des Schreibens (Dysgraphie)
Beim Schreiben treten ganz ähnliche Schwierigkeiten auf. Einzelne Laute können nicht
mehr in die entsprechenden Schriftzeichen umgesetzt werden, wodurch es zu Aus-
lassungen oder Ersetzungen kommt. In anderen Fällen kommt der Patient während des
Schreibens der einzelnen Buchstaben gedanklich vom Zielwort ab und schreibt daher
etwas ganz Anderes als geplant. Auch hier ist es möglich, dass ein Wort oder Satz
korrekt geschrieben wird, der Betroffene jedoch
den Sinn des Geschriebenen nicht erfassen kann.
Therapie
In Abhängigkeit von der individuellen
Symptomatik, der Dauer der Sprachstörung und
den individuellen Bedürfnissen des Patienten
stehen mir zur Behandlung der Sprachstörung
unterschiedliche Therapieansätze und -methoden
zur Verfügung, von denen ich die oder den für
den Patienten am besten geeigneten auswähle
und individuell anpasse. Zu berücksichtigen sind dabei durch die ursächliche Erkrankung
eventuell vorhandene Begleiterscheinungen wie z. B. Konzentrationsstörungen,
Halbseitenlähmung, usw.
Mögliche Ziele in der Aphasietherapie sind:
•
die Verbesserung des Sprachverständnisses auf Wort- Satz- und Textebene
•
die Hemmung überflüssiger bzw. überschießender Sprachproduktion
•
die Anregung von sprachlichen Äußerungen
•
die Verbesserung des Wortabrufes
•
der Aufbau bzw. die Gliederung von Sätzen
•
die Wiedererlangung der Lese- und Schreibfähigkeit
•
ein verbesserter Umgang mit Zahlen (Geld, Datum, Uhrzeit)
Therapieformen, an denen ich mich in der Behandlung orientiere:
•
Stimulierende und deblockierende Methoden
z. B. Deblockierungsmethode nach Weigl, Melodische Intonationstherapie nach
Sparks, Helm und Albert
•
Symptomorientierte Ansätze
z. B. Neurolinguistische Aphasietherapie (NAT) nach Neubert et al., Modalitäten-
aktivierung in der Aphasietherapie (MODAK®) nach Lutz
•
Modell-, strategie- und prozessorientierte Verfahren
z. B. Reduzierte Syntaxtherapie (REST) nach Schlenck,
•
Kommunikativ - pragmatische Methoden
z. B. Promoting Aphasics´ Communicative Effectiveness (PACE) nach Davis
und Wilcox
•
Kompensatorische Methoden
z. B. Erarbeitung eines Kommunikationsbuches, Symboltraining mit Piktogrammen
Sprechstörungen bei Erwachsenen
Dysarthrophonie (auch als „Dysarthrie“ bezeichnet)
Aufgrund einer Schädigung der Nerven, die die am Sprechen beteiligten Organe steuern,
ist die Beweglichkeit von Lippen, Zunge, Gaumensegel und Kiefer eingeschränkt.
Mögliche Zeichen einer Dysarthrophonie können sein:
•
unklare, verwaschene, verlangsamte Aussprache
•
rauer, gepresster Stimmklang, Schwankungen in Tonhöhe und Lautstärke
•
beeinträchtigte Sprechmelodie, z.B. monotones oder unrhythmisches Sprechen,
unangemessene Pausen
•
zu schnelles oder zu langsames Sprechen
•
Näseln
•
unrhythmische Atmung, Atemgeräusche
Im Gegensatz zur Sprechapraxie (siehe dort)
treten bei der Dysarthrophonie immer die
gleichen Fehler auf, beispielsweise werden
Laute immer in gleicher Weise fehl gebildet.
Die Therapie der Dysarthrophonie richtet sich
nach der individuellen Symptomatik. Je nach
Ausprägung erfolgt die Arbeit in den Bereichen
Körperhaltung und Körperspannung,
Stimmgebung, Atmung, Zungen - Mund-
motorik und Artikulation. Das Ziel der
Behandlung ist es zum Einen, die jeweils
beeinträchtigte Funktion zu verbessern oder zu
erhalten und zum Anderen, das Zusammenspiel
aller am Sprechen beteiligten Organe zu optimieren. Durch Übertragung des
verbesserten Sprechmusters in den Alltag soll eine zufrieden stellende Kommunikation
zwischen Patient und Angehörigen erreicht werden.
In bestimmten Fällen z. B. bei Morbus Parkinson arbeite ich in Anlehnung an das
Konzept des Lee Silverman Voice Treatment (LSVT®).
Sprechapraxie
Aufgrund einer Nervenschädigung, die die an der Sprechplanung beteiligten Organe
betrifft, kommt es zu einer fehlerhaften Koordination der Sprechorgane. Häufig tritt eine
Sprechapraxie in Kombination mit einer Aphasie (siehe dort) auf. Die Sprechapraxie
äußert sich folgendermaßen:
•
inkonstante Auslassung, Vertauschung, Hinzufügung oder Entstellung von Lauten
•
verlangsamte, monotone Sprechmelodie
•
Unterbrechungen im Redefluss durch Laut- und Silbenwiederholungen, Wort-
abbrüche, Fehlversuche, Neustarts und Suchbewegungen
•
sichtbare und hörbare Anstrengung beim
Sprechen
Im Gegensatz zur Dysarthrophonie (siehe dort)
sind die Fehler bei der Sprechapraxie inkon-
stant, das bedeutet, bei dem gleichen Wort
können immer wieder unterschiedliche Fehler
auftreten. Die Sprechproblematik ist sehr
schwankend. Es gibt Situationen, in denen
kaum Fehler auftreten und dann wiederum ist
die Einschränkung sehr stark.
Bei der Behandlung der Sprechapraxie finden
unterschiedliche Therapiemethoden Anwen-
dung. Anhand der Ergebnisse der Diagnostik
wird die individuelle Therapieform ausgewählt:
•
metrische Therapieansätze z. B. nach Engl
– Kasper oder Ziegler und Jäger, dabei
werden für den Patienten schwierige Laute
gleich auf Wortebene geübt
•
rhythmisch - melodische Verfahren z. B.
melodische Intonationstherapie
•
Einsatz von visuellen, auditiven oder taktil
– kinästhetischen Hilfen z. B. Taktkin®
nach Beate Birner-Janusch, Erweiterte Mediationstechnik (EMS), Behandlung nach
Luzatti und Springer
•
bei sehr schwerer Symptomatik: Erarbeitung eines Kommunikationsbuches
Zu den genannten Therapieinhalten gehört selbstverständlich die Zusammenarbeit mit
Angehörigen.